Krafttraining & Beweglichkeit – Freund oder Feind?

Mythbusting – Krafttraining & Beweglichkeit

Immer wieder hört man, dass Krafttraining dazu führt, dass die Muskeln noch weiter, als ohnehin schon durch unseren meist sitzenden Alltag „verkürzen“. Stehen sich Krafttraining und Beweglichkeit wirklich gegensätzlich gegenüber? Mit dieser Fragestellung beschäftigen wir uns in diesem Artikel.

Wir starten mit einem kleinen Exkurs:

Die meisten werden das folgende Phänomen kennen. Man beginnt eine Dehnung, geht bis zu dem Punkt, an dem es nicht weiterzugehen scheint, nimmt 1-2 Atemzüge und wie durch Magie kommt man plötzlich tiefer in die Position hinein. Doch was passiert hierbei eigentlich?

Der dahinter liegende Mechanismus betrifft den sogenannten Dehnreflex. Es ist ein Schutzmechanismus, der dafür sorgt, dass die Muskeln bei plötzlicher Dehnung automatisch kontrahieren, um Verletzungen zu verhindern. Während des statischen Dehnens lernt das Nervensystem, diesen Reflex zu hemmen. Dadurch können sich die Muskeln in einer gedehnten Position entspannen und die Beweglichkeit wird verbessert. Langfristig wird durch regelmäßiges statisches Dehnen die Dehnungstoleranz gesteigert, wodurch es möglich wird, tiefer in die Dehnung zu gehen. Der Nachteil: Die Beweglichkeit, die wir durch diese Form des Dehnens erreichen, ist meist nicht sofort, sondern erst nach einiger Zeit in der jeweiligen Position verfügbar.

Heißt also: Eine wesentliche Rolle für die uns zur Verfügung stehende Beweglichkeit spielt das zentrale Nervensystem und der Faktor, welcher Bereich als sicher „empfunden“ wird.

Kommen wir zurück zum Krafttraining. Um die Frage des Artikels zu beantworten, gibt es eine entscheidende Trainingsdeterminante, die sogenannte Range of Motion (ROM).

Innerhalb der kompletten ROM zu trainieren heißt, dass wir die maximale, uns zur Verfügung stehende, Bewegungsamplitude in der jeweiligen Übung nutzen. Beispielsweise lassen wir die Hantel beim Kurzhantel-Bankdrücken nicht nur bis zu einem bestimmten Winkel herunter, sondern so weit, bis wir (natürlich schmerzfrei) eine Dehnung in der Brustmuskulatur spüren und drücken diese erst dann wieder nach oben. Indem wir in der endgradigen Position Kraft aufbauen, signalisieren wir unserem Nervensystem, dass wir in der Lage sind, den jeweiligen Bewegungsradius eigenständig abzusichern. Langfristig kann man so nicht nur Kraft, sondern auch Beweglichkeit aufbauen. Zwei Fliegen mit einer Klappe. Genau das Gegenteil gilt natürlich, wenn wir unser Training nur in einer kleinen ROM absolvieren.

Die Range of Motion ist also der entscheidende Faktor, wenn es um die Frage geht, ob Krafttraining und Beweglichkeit miteinander einhergehen. Wir sollten fast immer die uns zur Verfügung stehende Bewegungsamplitude komplett nutzen. Zu beachten ist jedoch, dass ein Krafttraining, welches darauf ausgerichtet ist, die Beweglichkeit zu steigern, auch mit einer erhöhten Belastung passiver Strukturen, wie Faszien, Sehnen und Bändern einhergeht. Diese Gewebeformen adaptieren anders als das Muskelgewebe und eine gute Trainingssteuerung, sowie ein gewisses Know-How ist unabdingbar. Um hier nicht zu “overpacen” ist es sinnvoll von einem Experten betreut zu werden.

In diesem Sinne, bis bald im THE PACE 🏋️